Unter dem Begriff Mikroorganismen fasst man im Allgemeinen Lebensformen zusammen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Viele dieser Mikroorganismen bestehen lediglich aus einer einzelnen Zelle, manche jedoch auch aus Verbänden mehrerer Zellen. Biologisch gesehen umfasst die Bezeichnung Mikroorganismus Lebewesen aus mehreren Domänen und Reichen. So gehören Bakterien zur Domäne der Prokaryoten, Pilze, Protozoen oder Algen hingegen zu den Eukaryoten, wobei man all diese als Mikroorganismen bezeichnen kann.
Auch wenn die Erscheinungsformen des Lebens unendlich vielfältig erscheinen, so teilen sich alle einen grundlegend sehr ähnlichen Aufbau:
- Eine Zellhülle (z.B. Zellmembran und Zellwand) trennt die Umwelt vom Inneren des Organismus
- Proteine und Enzyme sorgen für Struktur und sind die hauptsächlichen Agitatoren des Stoffwechsels
- Die Erbinformation (der Bauplan der Zelle), gespeichert auf der DNA
Anders als höhere Lebensformen besitzen Mikroorganismen keine übergeordnete Organisation der Zellen in Form von Geweben oder Organen. Alles was sie zum Überleben und zur Vermehrung benötigen, befindet sich innerhalb der einen oder wenigen Zellen.
Einen Grenzfall, der je nach Sichtweise jedoch auch zu den Mikroorganismen gezählt werden kann, stellen die Viren dar. Viren werden gemeinhin nicht als Lebewesen angesehen, da sie keinen eigenen Stoffwechsel und keine eigene Vermehrung besitzen. Sie bestehen außerhalb des Wirtes in der Regel nur aus einer Proteinhülle und ihrem Erbgut, welches als DNA oder RNA vorliegen kann. Wenn sie jedoch ihren Wirt befallen, können sie dessen zelluläres Programm zu ihrem eigenen Nutzen umschreiben. Auf eine parasitäre Weise lassen sie ihren Wirt die Bausteine für Kopien von sich selbst herstellen, bis die Wirtszelle zerstört wird und bis zu mehrere hundert neu gebildete Viren freisetzt.
Arten von Mikroorganismen
Die grundlegendste Unterscheidung von Mikroorganismen muss zwischen Prokaryoten und Eukaryoten getroffen werden. Eukaryoten besitzen einen echten Zellkern, der klar vom Rest der Zelle abgegrenzt ist und in dem die Erbinformationen gespeichert sind. Proteingerüste geben den Zellen von innen eine Struktur und Festigkeit und können außerdem Transportfunktionen übernehmen. Zudem finden sich in eukaryotischen Zellen weitere, klar definierte Organellen wie die Mitochondrien oder das endoplasmatische Reticulum, die jeweils spezielle Aufgaben übernehmen. Auch die Prozessierung und Modifikation der DNA und der damit verbundenen Proteinbiosynthese ist bei Eukaryoten komplexer. Bekannte Vertreter sind zum Beispiel der Schlauchpilz Saccharomyces cerevisiae, der als Backhefe, in der Bierherstellung oder als Modellorganismus in der Wissenschaft eingesetzt wird. Oder verschiedene einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium, die als Erreger der Malaria gelten.
Prokaryoten hingegen besitzen keinen wirklichen Zellkern, ihr Erbgut ist in lediglich in bestimmten Bereichen konzentriert und mit Hilfe von Proteinen kondensiert. Ihre DNA-Prozessierung ist unmittelbarer und es gibt keine Zellorganellen. Der gesamte Stoffwechsel findet entweder in der Zellflüssigkeit (Cytoplasma) oder an der Zellmembran statt. Ein bekannter Vertreter der Prokaryoten ist zum Beispiel Escherichia coli, welcher natürlicherweise im Darm von Säugetieren vorkommt und ebenfalls als Modellorganismus in der Wissenschaft eingesetzt wird.
Bedeutung von Mikroorganismen
Mikroorganismen sind häufig sehr anpassungsfähig und besetzen viele verschiedene ökologische Nischen. Sie kommen praktisch überall und auf der gesamten Welt vor, wobei sich manche stark spezialisiert haben, andere wiederum ein breites Spektrum an Habitaten besiedeln können. Nicht zuletzt wegen ihrer Vielfalt und Anpassungsfähigkeit spielen Mikroorganismen in unserer Umwelt und bei uns Menschen eine große Rolle.
In den Weltmeeren beispielsweise produziert Phytoplankton Schätzungen zufolge bis zu 80% des weltweit verfügbaren Sauerstoffs. Diese in der Regel einzelligen Algen oder Cyanobakterien können, wie Pflanzen, mittels Sonnenlicht und Kohlenstoffdioxid eigene Biomasse und Sauerstoff produzieren. Im Boden nehmen Mikroorganismen ebenso eine wichtige Stellung in globalen Nährstoffkreisläufen ein. So bauen unter anderem Pilze und Bakterien totes, organische Material ab und bauen daraus eigene Biomasse auf oder setzen Nährstoffe in den Boden frei, die wiederum von Pflanzen benötigt und genutzt werden.
Auch für Menschen haben Mikroorganismen eine große Bedeutung. So gibt es zahlreiche Arten und Spezies, die manchmal harmlose, manchmal aber auch tödliche Krankheiten auslösen können. Pilze können zum Beispiel verschiedene Haut- oder Schleimhautbereiche besiedeln, Bakterien können Entzündungen im Verdauungstrakt oder in Atemwegen hervorrufen oder Protozoen (tierische Einzeller) können als Parasiten Krankheiten wie Malaria oder Leishmaniose hervorrufen.
Auf der anderen Seite besitzen bestimmte Mikroorganismen auch eine Schutzfunktion. In unserem Darm befindet sich eine artenreiche Vielfalt an Bakterien (Mikrobiota), die verhindert, dass sich Krankheitserreger dort ansiedeln können und die unverdauliche Nahrungsbestandteile (v.a. Ballaststoffe) aufschließen und verwerten kann. Auf unserer Haut übernehmen Mikroorganismen eine ähnliche Schutzfunktion.
Praktische Nutzung von Mikroorganismen
Schon seit vielen Jahrtausenden nutzen die Menschen bereits Mikroorganismen zu ihrem Vorteil. Zum Beispiel für die Käseherstellung, bei der je nach Sorte Milchsäurebakterien den Zucker in der Milch (Laktose) zu Milchsäure umsetzen, wodurch die Milch gerinnt und haltbar wird. Im Laufe der Zeit wurde diese Lebensmitteltechnik weiterentwickelt und es wurden Pilzarten verwendet, die den Käse weiter veredeln sollten. In der Bier- und Weinherstellung kommen ebenfalls Mikroorganismen zum Einsatz: Hefen wandeln den Zucker aus Früchten oder Stärke in Alkohol um. Doch auch abseits der Lebensmittelproduktion machen wir uns Mikroorganismen zunutze. In Klärwerken bauen mikrobielle Gemeinschaften organische Stoffe, die im Abwasser enthalten sind, ab und tragen so zur Abwasserklärung bei.
Die modernste Nutzung von Mikroorganismen hat sich zusammen mit den Fortschritten in der Gentechnik stark weiterentwickelt. Wissenschaftler und Biotechnologen besitzen die Möglichkeiten Mikroorganismen auf Ebene der DNA so zu verändern, dass sie Stoffe aus völlig fremden Organismen produzieren können. Dazu werden gezielt Gene aus einem Organismus kopiert und in einen anderen, gut bekannten und geeigneten Mikroorganismus integriert. So kann zum Beispiel mit Hilfe von Schimmelpilzen Citronensäure in industriellem Maßstab hergestellt werden. Oder das für Diabetiker lebensnotwendige Insulin, das mittels Bakterien oder Hefen biotechnologisch hergestellt werden kann. Dieses mikrobiell produzierte Insulin gleicht dem menschlichen Insulin und ist daher sehr gut verträglich für die Patienten.
Mikroorganismen sind also ein ständiger Begleiter in uns, um uns, in unserer Umwelt, bei Krankheiten, hinter unseren Lebens- und Arzneimitteln sowie zunehmend auch in der biotechnologischen Industrie.